Porträt: Susanne Niemeck und Martin Clausen, Gärtnerhof Sandhausen
Er hat ein Mofa gefunden, an seinem Zaun, etwas versteckt. Teile abgebaut, ohne Nummernschild, wohl gestohlen. Polizei: nein, wir sind nicht die richtigen. Rufen Sie „dort“ an. „Dort“, nein, wir sind nicht die richtigen Rufen Sie „da“ an. „Da“: wieso rufen Sie uns an? Wenden Sie sich an die Polizei oder an „dort“! Aber irgendwie war „da“ wohl doch der richtige! Zeit für die Besichtigung des Hofes.
Wir gehen nach draußen. Was für Gänge und Türen! „Wenn wir alles so viel hätten wie Türen! Nein nein, es geht uns schon ziemlich gut!
Die Tiere
Die Kühe sind gerade auf die Weide gekommen. Es ist ein offener Stall. Kühe fühlen sich am wohlsten bei -10° bis +10°. Hinten ein Lager, der Mist wird immer wieder überstreut. Der „Berg“ misst bestimmt 80 cm. Davor ein Platz zum Füttern. Die Tiere können jederzeit nach draußen. Vielleicht 100 qm gepflastert, mit Kuhbürste. Jetzt war der Außenplatz abgeschoben und trocken. Es gibt auch noch den alten Kuhstall. Anbindevorrichtung, enge Gänge hinten zum Ausmisten und vorne zum Füttern, eine niedrige Decke. „So stellt man sich das vor: Kühe im Stall, warm, der Geruch der Tiere und der Duft des Heus.“ Der Platz draußen scheint artgerechter.
Vor Jahren liefen im Draußenstall Schweine zwischen den Kühen! „Das ging gar nicht! Schweine sind viel zu schnell, Kühe gemächlich. Wenn dann Schweine zwischen den Beinen der Kühe langsausen, sind die völlig überfordert! Erschrecken sich zu Tode.“ Martin hat dann Schweine im Sommer gehalten, wenn die Kühe draußen waren, im Stall, auf dem Kuhmist und mit einem eigenen Außenbereich. „Ich dachte, die wühlen den Mist der Kühe um! Taten sie aber nicht!“ Und die Kontrolle der Demeter-Regeln? Nicht artgerecht! Tiere brauchen einen Auslauf! Wieso, haben sie doch! Ja, aber der ist überdacht. Ginge der Auslauf einen Meter weiter, über die Traufkante des Daches hinaus, wäre das in Ordnung. Sie beschränkten sich auf ein Tier, demeter gerecht mit richtigem Futter – aus Süddeutschland! „Kommentar des Lieferanten: Du spinnst doch! Der Transport kostet das Doppelte vom Futter selbst!“ Martin schaffte die Schweine ab.
Die Vermarktung von Fleisch ist ein echtes Problem! Über Jahre gab es eine Zusammenarbeit mit einem demeter- Kollegen und die Idee war, dass seine und Martins Tiere über eine Frischfleischtheke im Hofladen angeboten werden. Für die Galloways, ganzjährig draussen, von dem Kollegen gibt es die Erlaubnis, die Tiere auf dem Hof zu töten, was also recht stressfrei ist. Die Tiere von Martin, die im Winter im Stall leben, gilt diese Erlaubnis nicht. Die Grobzerlegung erfolgte bei einem Schlachter. Sie haben auf dem Hof einen genehmigten Raum für die Feinzerlegung. Sie nutzen das fast nicht mehr. Der Aufwand war einfach zu hoch. Alttiere gehen nun an Westfleisch und tauchen als Bio-Fleisch in den Theken der Verbrauchermärkte wieder auf. Die Kälber werden mit cirka 7-8 Monaten an einen demeter Kollegen verkauft und großgezogen. In größeren Portionen können dann auch Kunden von Martin das Fleisch dieser Tiere kaufen.
Bienen
Wir gehen weiter zu den Bienen. Die Imkerei hat er praktisch vom Vater geerbt. Martin hat 14 Völker, als er anfing waren es nach einiger Zeit 80 und er dachte darüber nach, seinen Lebensunterhalt damit verdienen zu wollen. Die Varoar-Milbe und die Wirtschaftlichkeit machten ihm schnell klar, Bienen bleiben ein Hobby neben einer einträglichen Landwirtschaft. Er ist stolz auf einen geschlossenen Wachskreislauf! Die Gifte gegen die Milbe sind fettlösend. Sie müssen also im Wachs oder in seiner Oberfläche sein. Schon sein Vater sagte, dass muss auf den Honig übergehen! Und richtig, genau das passiert. Es gibt Rückstände der Gifte im Honig! Martin setzt Ameisen- und Milchsäure ein! Benutzt nur eigenes Wachs! Also giftfreier Honig!
Wir gehen in das erste Gewächshaus! Was für gesunde Salate, unglaublich. „Die fangen doch bald an zu schießen!“ Nein, die sind noch in der Wachstumsphase und in zwei Wochen ist der Bereich abgeerntet. Während des Nachgesprächs gegen 14:00 kam ein Anruf: kannst du mir heute noch 10 Kisten Salat liefern? Klar, ich sage sofort Bescheid. Keine 5 Minuten später beginnen die Mitarbeiter mit der Ernte. „Salat um 14:00 ernten, das ist nun wirklich nicht der optimale Zeitpunkt!“
Glück, Wirtschaftlichkeit oder "es geht uns gut"
Immer wieder taucht das Wort „Glück“ auf. Man hat die richtigen Eltern, man stolpert über Land, eine Maschine, die z.B. zur heutigen Mosterei führte, über eine Spatenmaschine, die heute immer noch gute Dienste leistet, man trifft auf eine Partnerin, mit der das Ganze Kraft gewinnt. Die Situationen sind günstig: für die Kreditverhandlungen wegen des Kaufs des Hofes, gingen sie mit zwei beschriebenen Seiten Papier zur Bank. Sie bekamen ein Darlehen, zu 10% Zinsen!
Der Besuch auf dem Hof dauert vier Stunden! Martin will noch eine Lieferung zum Naturkostkontor (NKK) bringen und dann noch eine Fläche von bestimmt 400 qm jäten. Trotz der Folien auf dem Boden hat sich die Vogelmiere so breit gemacht, dass sie die Kultur bedrängt. Wir schlendern völlig entspannt über den Hof.
„Es geht uns gut“ ist nicht das zentrale Thema, aber es ist wichtig! Wirtschaftlichkeit! „Es ist doch nichts Schlimmes daran Geld zu verdienen“. Es macht keinen Sinn sich zu schinden und dabei reicht es kaum für das Überleben, geschweige denn für Investitionen. Und wir brauchen auch eine Versorgung im Alter. Wenn das nicht geht, muss man doch etwas anders machen.
Die Kinder werden den Betrieb wohl nicht übernehmen. Aber er ist attraktiv für einen Nachfolger. Das einfachste wäre, es so fortzuführen, wie es läuft. Ginge, fände er aber für jemanden, der einsteigt, langweilig. Natürlich könnte man in die Masse gehen, direkte Lieferverträge mit Lebensmittelkonzernen. Viel attraktiver wäre für ihn aber die Umstellung des Betriebs auf Solidarische Landwirtschaft. Das würde er gerne mit begleiten. Nein, für ihn persönlich ist das keine Option mehr.
Das Gemüse
Der Gärtnerhof deckt bei weitem nicht den Gemüsebedarf eines Haushalts ab. Es werden Salate angebaut, dann vor allem Tomaten, Aubergine und einige andere Gemüse. Im Zusammenhang mit dem Marktstand von Martin wird die Rolle des Großhandels deutlich. Der Gärtnerhof produziert nicht für die direkte Vermarktung. Er produziert wenige Sorten in größeren Mengen. Der Großhandel gleicht aus: Der Gärtnerhof liefert unter anderem an das Naturkostkontor Bremen und für den Marktstand holen sie sich von dort, was ihnen für ein ausgewogenes Sortiment fehlt.
Martin zeigt mir junge Tomaten. Wenn er diese Tomaten selber aus Samen zieht, dann kostet ein Samenkorn bei einigen Sorten mehr als 1 €. Trotz der Heizmöglichkeit sind die Bedingungen nicht optimal. Es gehen nur gut 70% der Ansaat auf. Trotzdem, so stellen wir uns doch eine Biogärtnerei vor, oder? Die Alternative sind zugekaufte zweitriebige Jungpflanzen, die sind veredelt, aufgepfropft auf eine Wildtomatenunterlage. Dann wird der Mitteltrieb gekappt, so dass zwei Seitentriebe entstehen. Kosten pro Pflanze gut 2,80 €. Machen wir eine Rechnung auf: Martin hat 20.000 Plätze für Tomaten. Bei den Zweitriebigen braucht er nur 10.000 Pflanzen und durch die Wildtomatenunterlage sind diese Pflanzen auch noch viel widerstandsfähiger gegen Krankheiten.
margere Erde
„Hast du die Erde gesehen? Die sieht doch an sich recht mager aus“. Ja, Martin hat recht. Und trotzdem stehen da keine hungernden Pflanzen! Die Salate sind eine Wonne anzuschauen! Es gibt einen Grenzwert für Stickstoff pro Quadratmeter im Boden. Martins Böden liegen weit darunter. Trotzdem gedeihen die Pflanzen hervorragend. Martin will keinen Dünger zukaufen! Auch auf Demeter-Betrieben darf mit organischen Handeldüngern gedüngt werden mit. Aber alle diese Dünger kommen aus der konventionellen Landwirtschaft. Davon will er unabhängig sein!
Sein Schatz sieht ziemlich öde aus, Kompostmieten!! Unscheinbare Hügelchen in Reihen auf einer Wiese. Gerade wird aus dem Mist aus dem Kuhstall eine neue Reihe aufgeschüttet. Wir kennen das: Kompost braucht drei Jahre! Nein, bei Martin acht Wochen!! Früher wurden auch von ihm die Reste und die Tomatenpflanzen auf einen Haufen geschüttet und rotteten so vor sich hin. Heute werden sie kleingehäckselt, mit anderen Resten vermischt, mit einem Kompostwender durchgearbeitet und mit einem Flies abgedeckt. Diese Reihe wird jetzt im Frühjahr z.B. mit dem Mist der Kühe vermischt. Martin misst regelmäßig CO2 (wegen eventueller Fäulnisprozesse), Temperatur und Feuchtigkeit. Und er misst mit Sonden in 1 m Tiefe im Boden ob sich unter den Mieten die Stickstoffwerte erhöhen und es in der Folge zu Grundwasserbelastungen kommen könnte. Er hat noch nie problematische Werte festgestellt.
Wir kommen zur Weide mit den Kühen, dazwischen einige Jungtiere. Als wir uns nähern erhebt sich der Stier und macht sich auf den Weg zu seiner Herde. Auch so etwas Unwirtschaftliches! Aber es gehört zu einem Gesamtsystem! Hier, an dieser Stelle, an der wir gerade stehen, soll eventuell einmal die neue Bundestraße 212 verlaufen!
B212N
1996 wurde bekannt, dass die Bundestraße B212 neu gebaut werden sollte, im ersten Entwurf mitten durch die Gewächshäuser des Gärtnerhofes! Klar, dass Martin mitten drin stand im Protest dagegen. Die Geschichten, die er erzählt, klingen wie Interna aus Schildbürgershausen! Im ersten Verfahren hatte die Behörde Gutachten von einem bestimmten Gebiet erstellt, dann die Straße aber außerhalb, um dieses Gebiet herum, geplant. Nein, wir haben keinen Fehler gemacht, wir planen aber noch einmal ganz neu! In der zweiten Planung tauchte eine weitere Bundesstraße auf, die gar nicht zulässig war! Nein, wir haben keinen Fehler gemacht, wir planen aber noch einmal neu!
Martin: Und sollte die neue Straße wirklich einen Lebensnerv unseres Hofe berühren, so muss uns Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt werden. Nicht irgendein Land, es muss geeignet sein für einen Demeter Betrieb! D.h. auf diesem Land muss die Umstellungsphase auf Demeter bereits abgeschlossen sein! Wie der Weser Kurier in den letzten Tagen berichtete ist die Planung in der Zwischenzeit abgeschlossen. Die Straße soll tatsächlich mitten über den Hof gehen, direkt hinter den Gewächshäusern.
Und brauchen wir diese Straße überhaupt? Unser Straßensystem hier ist doch nicht überlastet. Diese Planung zieht neuen Verkehr an. Es ist ein Wachstumskonzept. Aber brauchen wir in unserer Welt immer mehr Wachstum? Martin meint, dass es Jahre gab in denen er und Susanne rund 30 % ihrer Arbeitszeit in dieses Projekt steckten.
"mehr"
Einer der großen Einzelhandelskonzerne möchte vom Hof beliefert werden, mehrere 100 Kisten pro Woche. Martin: „Schauen Sie sich um, wie soll das gehen?“ Der Konzern bietet an, ihm 8000 qm Gewächshausfläche auf den Hof zu stellen, mit fairen Verträgen! Martin winkt ab! „Ich will doch nicht nur noch Betriebsleiter sein, der Anweisungen gibt: du machst die 1000 qm Zucchini, 100 Kisten pro Woche, du machst 800 qm … Es geht uns doch gut. Wir brauchen nicht „mehr““.
vb