"Demokratie in einem ernsthaften Sinne und Kapitalismus schließen sich aus."

Erneut äußert sich Prof. Dr. Rainer Mausfeld ("Warum schweigen die Lämmer?") kritisch, diesmal geht es vorrangig um Rechts-Links-Demagogie.

Hier ein paar Auszüge des empfehlenswerten Interviews:

Medien stiften Gesellschaft und schaffen und formen erst unser Bild von der gesellschaftlichen und politischen Realität. Sie schaffen gemeinsame Denkräume, helfen Erfahrungen in Sinnzusammenhänge zu integrieren und stiften durch eine Synchronisation der Aufmerksamkeit gemeinsame Erfahrungen. Daher sind sie ganz zentrale Instrumente zur Organisation und zur Ausübung von politischer Macht.

 

Dieser mühsam gewonnene Werkzeugkasten des kritischen Denkens wird jedoch in den wesentlichen politischen Sozialisationsinstanzen unserer Gesellschaft, also in Schulen und Universitäten, nicht tradiert. Das ist wenig überraschend. Denn ein solches Denken läuft stets auf eine Machtkritik hinaus und könnte damit den Status der jeweiligen Machteliten gefährden. Folglich sind nicht nur Medien, sondern zunehmend auch das gesamte Erziehungs- und Ausbildungswesen zu zentralen Indoktrinationsinstanzen geworden, in denen vor allem Konformität gefördert und belohnt wird.

 

Der gesamte Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist im Gefolge des Neoliberalismus dermaßen verseucht durch eine Orwellsche Umdeutung nahezu aller relevanten Begriffe, dass man ein ganzes „Falschwörterbuch“ benötigte, um die sich darin verbergenden ideologischen Vorannahmen aufzuschlüsseln.

 

Mehr als 100 Jahre haben wir Gewalt exportiert – zum ökonomischen Nutzen der daran beteiligten Täter-Nationen und zur Steigerung des Lebensstandards ihrer Bevölkerungen. Nun erreichen erstmals einige Konsequenzen unserer Untaten europäischen Boden, und nun beschweren wir uns darüber, dass die Opfer uns mit den Folgen unserer Untaten in unserem eigenen Lebensbereich behelligen.

 

Die Behauptung, eine Links-Rechts-Unterscheidung hätte sich historisch überlebt, würde also letztlich beinhalten, dass sich die Leitideen einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen und einer ernsthaften demokratischen Gesellschaftsorganisation überholt hätten – eine These, die natürlich gerne von denen vertreten wird, deren Macht gerade auf rassistischen, chauvinistischen, nationalistischen oder exzeptionalistischen Ideologien basiert.

 

In der Sache sind links und rechts in der Tat Gegenpole und können daher in der Substanz so wenig Berührungspunkte miteinander haben wie Aufklärung und Gegenaufklärung oder wie Demokratie und Elitenherrschaft.

 

Das vollständige Interview ist hier zu lesen, auch als Podcast. Außerdem ist dort ein weiteres Interview mit R. Mausfeld, geführt von Ken Jebsen, eingebettet.


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