Der 2. Tag des Guten Lebens in Bremen

Das „Gute Leben“ ist ein Lebensentwurf, der aus den Entwicklungen der indigenen Völker Südamerikas stammt. Er umfasst die Solidarität und bezieht vor allem die Natur als Akteur mit ein. Nicht nur die „Entwicklungsländer“ müssen sich entwickeln, von ihnen kommt ein Entwurf für das neue Leben des globalen Nordens. (Opens external link in new windowAlberto Acosta, Buen Vivir)

Die Veranstaltung war richtig gut, richtig gut vorbereitet, richtig gut organisiert und hatte sehr gute inhaltliche Beiträge. Vielen Dank an die Organisatoren, an die Moderator*innen und natürlich an den Referenten. Das Programm des Tages hatten wir Opens external link in new windowverbreitet. Hauptakteur war Opens external link in new windowUlrich Brand. Wir beschränken uns hier auf wenige aber zentrale Aussagen von ihm.

Nein, nicht der gesamte globale Süden leidet und nicht der gesamte globale Norden weiß die Lösung! Globaler Süden kann auch in Deutschland sein, globaler Norden auch auf der Süd-Halbkugel. Es geht um die Gewinner und um die Verlierer des Kapitalismus. Im Norden hat sich die „Geiz ist geil“ Mentalität in die Gehirne eingebrannt, jeder gegen jeden, Ellbogen raus. Die Verlierer haben selber Schuld. Wir wollen mehr, mehr von allem! Noch mehr Fernseher, noch mehr Autos!

Auch im Süden wollen die Menschen Wohlstand. Und in den rohstoffreichen Ländern wollen sie es durch mehr wirtschaftliche Aktivität. Sie wollen die Ausbeutung ihrer Rohstoffe auch auf Kosten ihrer Natur und auf Kosten der Betroffenen. Unterschicht und Mittelschicht wollen nicht im Elend leben! Und ihre Alternative ist das Wachstum. Im Kapitalismus bedeutet das dort Extraktivismus.

Und was tun wir in Bremen? Es gab drei Workshops zu Soja, Kohle und Bauxit. Was bedeuten diese drei Themen für den globalen Süden und was können wir in Bremen tun? Es ging um Bildung und um Strategien für politische Aktionen. Der Kapitalismus lässt Nischen und es lassen sich Nischen aufbauen. Fatal, wenn die Akteure in den Nischen bleiben. Ulrich Brand nannte Fair Trade als Beispiel.

Was lässt sich tun? Ein Beispiel: 44% des Autoverkehrs in Wien sind überflüssig. Diese Menschen transportieren nichts und sie könnten ihre Ziele genauso schnell öffentlich oder zu Fuß erreichen. Hier besteht doch Potential zur Veränderung.

Dabei blieb eine Frage offen: wenn ernsthafterweise die Energieversorgung im Kapitalismus beschnitten werden soll (Verstromung von Kohle) oder wenn das goldene Kalb, das Auto, seine Vorrangstellung verlieren soll, dann wird die Notwendigkeit zur ständig steigenden Mehrwertproduktion untergraben. Dann verweigert sich das Kapital. Gleichzeitig wird aber in der Veranstaltung der in den Menschen implementierte Wunsch nach Wohlstand beschrieben. Wenn sich das Kapital verweigert, herrscht Heulen und Zähneklappern! Die Frage blieb offen, wie dieser Widerspruch überwunden werden soll?

Slammer Filet war klasse. Genauer gesagt führte es durch das Programm. Vier Wettstreiter*innen kämpften um die Krone der Gunst von Jury und Publikum. Und hinterher saßen die Vier im Foyer und vertilgten gemeinsam die Preise, Schokolade und Wein! Natürlich fair Trade!

In der Abendveranstaltung wurde Ulrich Brand konkreter. Woran kann Aktion ansetzen? Hier nannte er drei Dinge:

1. Das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem muss grundlegend in Frage gestellt werden. Das bezieht sich vor allem auf den Profit um des Profit willens und um die politische Ausnutzung ökonomischer Macht,

2. Es gilt, an den alltäglichen Krisenerfahrungen anzusetzen wie z.B. der zunehmenden sozialen Ungleichheit und den Phänomenen der Prekarisierung, Arbeitsverdichtung und Entgrenzung von Arbeit.

3. Es gibt ein Unbehagen an Eliten, an Akteuren wie z.B. auch den Gewerkschaften und an dem eigenen Verhalten.

In welchen Bereichen soll/kann sinnvoll Aktion stattfinden? Oben nannte er, dass das Streben nach Wohlstand einer der Haupttreiber von Politik und Veränderung ist. Seine letzte Folie war folgerichtig überschrieben mit „Wohlstand anders schaffen“.

Das umfasst konkrete Veränderungen in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Transport. Güter und Dienstleistungen zum Leben solidarisch und nachhaltig herstellen und nutzen.

Er verweist dabei auf Nischen als Erfahrungsräume, eine Idee, die David Harvey formulierte und die in dem Ansatz von Klaus Dörre über die Landnahme des Sozialen wieder auftaucht. Handlungsfelder wären eine Solidarische Ökonomie und urban gardening u.a., selbst organisierte Räume und ein starker und transparenter öffentlichen Sektor. Dieses muss einem Leitbild genügen: Ein gutes Leben für alle. Freiheit geht nicht auf Kosten anderer, und dafür braucht es Regeln.

Das ist es, der Wohlstand oder vielleicht besser das Wohlergehen muss im Fokus von Argumentation und Aktion stehen unter dem Aspekt eines „anderen Modells“. Und dann bekommt Vieles, was schon da ist, eine neue konstruktive Perspektive!


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