Kommentar: Brexit? Ja, nur anders

Die Brexit-Gegner waren die Jungen, die sich ein Leben in Grenzen nicht mehr vorstellen können, die Stadtbevölkerung, die Gebildeten, die Weltoffenen[1], die Befürworter liberalisierter Märkte. Auch die Analysen waren schnell geschrieben: „Mit der Wahrheit nehmen es Brexit-Befürworter nicht so genau. Ihre aggressiven Parolen übertönen die leiseren EU-Freunde. Die Argumente der Kontrahenten im Vergleich“[2], die Wortwahl sagt vieles. Bei den Verhandlungen im Augenblick steht in der Berichterstattung das konsequente Brüssel den britischen Rosinenpickern gegenüber.

Das Image ist denkbar schlecht!

In dieses Spektrum gehört auch der Wahlerfolg Trumps. "‘Trump hat gezielt die Verlierer der Globalisierung angesprochen‘, sagte Verheugen. Damit habe er eine Schwäche der liberalen Demokraten ausgenutzt, die diese Abgehängten schlicht ignoriert hätten“[3].

Ja, die Globalisierung hat Verlierer, und ihre Zahl steigt ständig!

Geht es tatsächlich um das ehrbare Vorhaben eines geeinten Europas ohne nationalen Chauvinismus, ohne „Erbfeinde“, geht es um Aussöhnung, bequemes Reisen? Natürlich sind das gut zu verkaufende Nebenprodukte. Tatsächlich geht es aber vor allem um die Märkte und ihre Ausrichtung. Je größer Unternehmen werden, desto größere Märkte brauchen sie und desto mehr politische Macht, um ihre Interessen nach innen und außen durchzusetzen.

Brauchen wir wirklich ein Europa der nicht demokratisch legitimierten Technokraten? Wie sagte doch Robert Mundell gegenüber Greg Palast[4] im Guardian? „Wenn die Krise zuschlägt, dann zeigt der Euro seine Kraft. Wenn man die Kontrolle der Regierung über die Währung beseitige, würden lästige kleine Volksvertreter keine Möglichkeit mehr haben, Finanzmittel einzusetzen, um ihr Land aus einer Rezession herauszuholen“[5]. Griechenland lässt grüßen.

Sich diesem System zu verweigern ist genau richtig! Nur die Argumente dürfen nicht Chauvinismus und Feindschaft unter den Menschen sein. Es geht um das Gegenteil: Die einzige Lösung kann sein, wenn die Menschen eine Perspektive haben, und zwar eine solidarische, lebensbejahende, mit der Natur im Einklang stehende Vision, die beginnt Realität zu werden. Wir brauchen keinen nationalen Kapitalismus gepaart mit Feindlichkeit und Hass. Wir brauchen eine Wirtschaft, in der es um die Versorgung der Menschen geht, in der die Menschen verstehen und selber gestalten. Nicht Egoismus ist dann die Triebkraft, sondern das gemeinsame Wirtschaften in Verantwortung für alle.

Ja, sich diesem Europa verweigern, aber hin zu einem anderen Leben. Und das in vielen kleinen Inseln jenseits der „Nationen“. Und aus diesen neuen Inseln entsteht ein neues Europa, eine neue Globalisierung, getragen von der Solidarität der Menschen, nicht vom Egoismus großer Unternehmen und deren Eigentümern.

kvb

 


[1] http://www.faz.net/aktuell/brexit/wahl-analyse-die-alten-waehlten-den-brexit-14301861.html

[2] http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-06/brexit-auswirkungen-pro-contra-david-cameron-george-osbourne/komplettansicht?print

[3] https://www.morgenpost.de/kultur/tv/article209363283/Gaeste-bei-Anne-Will-zeigen-wo-ein-Donald-Trump-Recht-hat.html

[4] In einem aufschlussreichen Beitrag für den Guardian am 26.6.2012 sprach der britische Journalist Greg Palast aus, was viele Leser seit langem ahnen: "Die Idee, dass der Euro fehlgeschlagen sei, zeugt von gefährlicher Naivität. Der Euro ist genau das, was sein Erzeuger und die 1 % Reichen, die ihn unterstützten, vorhersagten und mit ihm beabsichtigten." Palast beschreibt mit diesen Worten die Einstellung von Robert Mundell, Wirtschaftsnobelpreisträger, Erfinder des "einheitlichen Währungsraums" und theoretischer Vater des Euro. https://www.theguardian.com/commentisfree/2012/jun/26/robert-mundell-evil-genius-euro

[5] http://www.roland-regional.de/fileadmin/user_upload/dokumente/Theorie/EURO__Ein_Erfolg__wie_es
_sich_die_groessten_Optimisten_nicht_vorstellen_konnten__Guardian_.pdf


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