Mausfeld war da
Der Mensch im Geflecht von Medien, Manipulation und Macht.
Am 28.6.2021 war Prof. Dr. Rainer Mausfeld in Bremen bei/in der gemeinsamen Veranstaltung von ROLAND-Regional Bildung und Wissen (BiWi) und der Christengemeinschaft zu Gast. Er überließ uns die Folien seiner Präsentation mit der Erlaubnis sie auf unsere Homepage zu stellen [Download]. BiWi berichtete über die Veranstaltung schon vor längerer Zeit (Wachsam sollten wir sein, äußerst wachsam-).
Mausfeld gliedert seinen Vortrag in die drei Punkte:
- Prolog, Organisationsformen der Macht heute
- Die Corona-Krise
- Was tun?
Er greift also die Problematik staatlicher Maßnahmen auf, geht auf das gegenwärtige Reizwort Corona ein und fragt „Was tun?“
Oh je! Querdenker! Und bestimmt Verschwörungstheoretiker! ?
Und da sind wir mitten drin in einem Hauptproblem unserer Zeit. Kann man diese Themen überhaupt noch kritisch ansprechen? Was ist glaubwürdig, was nicht?
Nähern wir uns diesem Problem unabhängig von Mausfeld mit Hilfe eines Fernsehberichts vom Dez. 2021:
Es wurde berichtet, dass eine Rechtsanwältin, die eine schwere Corona-Erkrankung gerade überstanden hatte, sich begleitet von einem Kamerateam mit einem Transparent in eine Demonstration von Corona-Kritikern stellte. Kam aus einem Seitenweg eine mittelalte etwas fülligere Dame in „einfacher“ Kleidung auf sie zu gerannt und schrie hysterisch: „Du willst doch nur, dass sie unsere Kinder töten“!
Ist das jetzt „Lügenpresse“?
Gab es diese Szene? Ja! Berichtet die Presse also richtig? Ja! Oder doch nicht?
Welches Bild wird vermittelt? Die Gegner und Kritiker sind dumm, Unterschicht, die Thesen sind absurd! Nicht ernst nehmen! Das sind doch die Menschen, die das Wort Lügenpresse schreien! Warum war das Fernsehen dabei? Die Rechtsanwältin ging in die Demo, um mit den Menschen zu sprechen. Davon wurde nichts gezeigt, nur diese oben beschriebene Szene. Sie kennen den Ausdruck „teile und herrsche“. Darauf kommen wir noch einmal zurück.
Mausfelds zentrale These ist, dass die repräsentative Demokratie, in der wir leben, eine Scheindemokratie ist. In dem Vortrag Warum schweigen die Lämmer verweist er auf Madison, einem der Urväter der amerikanischen Verfassung. In einem seiner Briefe gibt es den Satz: „to protect the minority of the opulent against the majority“ (in Term of the senate, June 26, 1787). Und danach dort die Aussage: Gelingt es nicht, die Opulenten zu schützen, wird diese Form … nur von kurzer Dauer sein.
Wir haben z.B. das Menschenrecht auf Eigentum. Regierungen müssen dieses Eigentum bedienen, wenn sie es nicht verärgern wollen. Wir brauchen ein investitionsfreundliches Klima. Daraus folgende Sachzwänge bestimmen die Politik. Wir kennen den Spruch: Die da oben machen ja doch, was sie wollen. - Nein, eben nicht was sie wollen, sondern was die „Sachzwänge“ erfordern. Aber weit weg von dem, was sie den Menschen im Wahlkampf versprochen hatten.
Fast wie eine Randnotiz findet sich auf einer von Mausfelds Folien:
Macht ist kein Status,
sondern wird durch
Beziehungen ausgeübt.
Ziel: Macht in Herrschaft
zu verwandeln – also
Akzeptanz bei den
Machtunterworfenen zu finden
Dabei spielt Wissen eine zentrale Rolle. Mausfeld thematisiert das Wissen auf der beiden Seiten. Wir „normalen Menschen“ sind befallen vom kollektiven Vergessen. Dem gegenüber steht bei den Eliten
Detailliertes Wissen durch Abertausende von Think
Tanks, durch Psychologie, Sozialwissenschaften,
Soziologie,... über:
- Welche Faktoren waren für Erfolge und Scheitern
sozialer Bewegungen verantwortlich?
- Wie lassen sich soziale Bewegungen spalten?
- Wie lässt sich der Prozess der Rechtssetzung selbst
kontrollieren?
- Wie lässt sich die öffentliche Meinung steuern?
Wie lässt sich die öffentliche Meinung steuern? Wie passiert kollektives Vergessen? Mausfeld nennt das Demokratiemanagement,
Und schauen noch einmal auf das Fernsehbeispiel oben. Teile und herrsche! Hier wird hier u.a. mit der sozialen Spaltung gearbeitet. Die Frau im Seitenweg wird nicht ernst genommen, sie wird in einem negativen Zusammenhang benutzt.
Und natürlich können wir von den Medien nicht erwarten, dass Corona als Systemkrise dargestellt wird. Mausfeld fasst auf einer Folie u.a. Corona als Multikrise zusammen:
- Krise der kapitalistischen ‚Globalisierung‘
- ökologische Krise
- Krise des globalisierten Finanzkapitalismus
- ‚Krise der Demokratie‘
- ‚Krise der Medien‘
Corona ist weit mehr als eine Pandemie mit „Lügenpresse“, „Reichsbürgern“ und dem Beharren auf Grundrechten . Das lenkt von der tatsächlichen Problematik ab.
Mausfeld ruft zum Handeln auf. Dazu fokussiert er auf Methode und Inhalt: „Nur wer das Ziel nicht kennt, kann im Weg nicht irren“ und zwar mit den Punkten:
1. Wo stehen wir, 2. Wo wollen wir hin und 3. mit welchen Strategien. prüfen
Inhaltlich geht es ihm um Aufklärung über eine systematische Verschiebung des Demokratiebegriffs seit dem 18. Jahrhundert. Vielleicht sind einigen von Ihnen noch die Notstandsgesetze der 1970er Jahre in Erinnerung. Entworfen für eine kurze Dauer, heute immer noch in Kraft. Mausfeld nimmt als weiteres Beispiel das „Feindstrafrecht“ (siehe näheres auf seinen Folien). Um Corona hier einzuordnen, braucht es weit mehr als ein unreflektiertes Beharren auf Grundrechten.
Für Mausfeld folgt aus diesen Überlegungen die Forderung:
Die Leitidee der Demokratie zurückgewinnen!
Auf der letzten Folie zitiert er David Harvey: „Was tun? Und wer zum Teufel tut es?“ Um dann mit Chomsky zu schließen
Es kann viel getan werden, wenn die Menschen sich organisieren,
für ihre Rechte kämpfen, wie sie es in der Vergangenheit getan haben,
und wir können noch viele Siege erringen.“
Das Erringen von Siegen ist höchst problematisch. Den Siegern stehen Verlierer gegenüber. Wir (ROLAND) wollen uns organisieren, aber könnte es sein, dass wir als ROLAND im Sinne von Chomsky gar keine Siege erringen wollen? Trotzdem wird es Widerstand geben.
“You never change things by fighting the existing reality. To change something, build a new model that makes the existing model obsolete.” (Buckminster Fuller)
Gut, dass Herr Mausfeld uns nach seinem Vortrag (im Juni 2021) zugesagt hat, gerne in zwei Jahren wieder nach Bremen zu kommen.